#1 | Lars Geithner: Blind in Bus und Bahn - eine tägliche Herausforderung
Shownotes
Mehr als ein Viertel der Gesamtbevölkerung ist zeitweilig oder dauerhaft in der Mobilität eingeschränkt. Dazu zählen viele Arten von Mobilitätseinschränkungen, darunter auch ,aber nicht nur, Rollstuhlfahrer, sondern auch kognitiv eingeschränkte Menschen, gehörlose Menschen und auch blinde und sehbehinderte Menschen. In der ersten Folge unserer geplanten Reihe möchte ich ihnen deshalb sehr herzlich vorstellen und begrüße hier Lars Geithner vom Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen e.V., der Kreisorganisation Chemnitz/Stollberg. Er vertritt die Interessen sowohl sehbehinderter als auch blinder Menschen. Mit ihm spreche ich über Hürden, Barrieren und wie diese abgebaut werden können.
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VdK-Podcast PNV fr alle
Folge 1: Lars Geithner, Blinden-und SehbehindertenverbandSachsen e.V., Vorsitzender der Kreisorganisation Chemnitz/
Stollberg
Lars Geithner: Es werden sozusagen Hrden abgebaut. Also sie wissen dann
beim nchsten Mal wie das ist, blind zu sein. Und wie sie mit mir umgehen sollen.
Wir sind keine Exoten, wir wollen normal behandelt werden. Und so ist es auch.
Michael Thriemer: Hallo und Herzlich willkommen zum neuen Podcast des
Projekts PNV fr alle. Sehr geehrte Zuhrerinnen und Zuhrer, mein Name ist
Michael Thriemer, ich leite das Projekt PNV fr alle beim Sozialverband VdK
Sachsen e.V., welches sich bereits seit 2011 fr mehr Barrierefreiheit an
Haltestellen, in Fahrzeugen und bei der Informationsweitergabe in der Region
Sdwestsachsen einsetzt.
Mehr als ein Viertel der Gesamtbevlkerung ist zeitweilig oder dauerhaft in der
Mobilitt eingeschrnkt. Dazu zhlen viele Arten von Mobilittseinschrnkungen,
darunter auch ,aber nicht nur, Rollstuhlfahrer, sondern auch kognitiv
eingeschrnkte Menschen, gehrlose Menschen und auch blinde undsehbehinderte Menschen.
In der ersten Folge unserer geplanten Reihe mchte ich ihnen deshalb sehr
herzlich vorstellen und begre hier Herrn Lars Geithner vom Blinden- und
Sehbehindertenverband Sachsen e.V., der Kreisorganisation Chemnitz/Stollberg.
Der also sowohl sehbehinderte als auch blinde Menschen entsprechend vertritt.
Hallo Herr Geithner, hallo Lars, schn, dass du da bist. Danke auch nochmal, dass
du dich heute hier als Gast zur ersten Podcastreihe zur Verfgung gestellt hast.
Stell doch einfach mal kurz deine Aufgaben beim Blinden- und SehbehindertenVerband Sachsen vor.
Lars Geithner: Vielen Dank Micha fr die Einladung. Ich bin stellvertretender
Vorsitzender und meine Aufgaben liegen im Bereich Barrierefreies Bauen im
ffentlichen Raum.
Michael Thriemer: Ich denke, die Zuhrerinnen und Zuhrer wird sicherlich
brennend interessieren, wie du dich als blinder Mensch im Alltag zurechtfindest.
Beschreibe doch einmal unseren Zuhrerinnen und Zuhrern deinen Tagesablauf.
Welche Hilfsmittel stehen dir beispielsweise zur Verfgung?
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Lars Geithner: Ich sehe die Welt oder meine Umgebung alles in Umrissen. Ich
sehe alles unscharf. Und kann mich noch mit den Augen orientieren im Alltag,
ich nutze auch als Hilfsmittel einen Blinden-Langstock mit dem ich sozusagen
erkennbar bin, dass ich sehbehindert bin. Da kann ich sozusagen mich im Alltag
mit meinem Blinden-Langstock orientieren. Und kann sozusagen an Husern
entlanggehen, an der inneren Leitlinie, das ist immer von der Gefahr weg, also an
der Hausseite entlang und gehe so durch den Alltag.
Muss natrlich viele Wege auswendig lernen, muss mir vorher berlegen, wie
komme ich zu dem Ziel, wo muss ich lang, ber welche Straen, welche Ampel
muss ich berqueren, so Fixpunkte setzen. Also was ist unterwegs alles so wichtig
fr mich, wie ich zu meinem Ziel komme.
Michael Thriemer: Lars, erklr uns doch mal oder erlutere uns doch mal ganz
kurz, Wie sieht denn deine tgliche Ehrenamtliche Arbeit aus? Unter anderem bist
du ja auch Mitglied der Arbeitsgruppe Chemnitz im Rahmen des Projekts PNV
fr alle. Zur Erluterung, es gibt fr die Region Sdwest-Sachsen, in jeder
einzelnen Region eine separate Arbeitsgruppe, so z.B. in Mittelsachsen, in
Chemnitz, in Zwickau, im Erzgebirgskreis und auch im Vogtland. Lars Geithner ist
Mitglied der Arbeitsgruppe Chemnitz.
Schildere doch einfach mal den Zuhrerinnen und Zuhrern, wie die tgliche Arbeit
aussieht. Schaust du dir die Plne an, machst du Begehungen, wie stellt sich das
fr dich dar?
Lars Geithner: Ich bin in verschiedenen Arbeitsgruppen ehrenamtlich ttig.
Unter anderem in der AG PNV fr alle vom VDK. Dort treffen wir uns viermal im
Jahr und besprechen verschiedene Themen zum Thema PNV.
Und dann bin ich des weiteren Mitglied in der AG barrierefreies Bauen der Stadt
Chemnitz. Da sind grere Themen was Bausachen betrifft oder Bauvorhaben.
Wenn Haltestellen neu gebaut werden oder Straenberquerungen neu angelegt
werden mssen.
Um sowas geht es, um die Themen dort bei der AG barrierefreies Bauen.
Dann bin ich noch Mitglied im Behindertenbeirat VMS. Da geht es dann viel um
Fahrzeugbeschaffungen oder wie Neubaustrecken oder sanierte
Straenbahnstrecken, des PNV angelegt werden oder neu gebaut werden.
Ehrenamtlich bin ich im Sinnreich. Das sind Erlebniswelten im Dunkeln.
Ich bin Guide und fhre durch, erklre den Leuten, wie das ist, blind zu sein.
Dann bin ich ehrenamtlich ttig im SFZ Chemnitz. Das ist Schsisches
Frderzentrum. Dort bin ich mit der Blindenschule in Kontakt und
wir trainieren Goalball, die Blindensportart, dass die kleinen Kinder von Anfang an
das richtig lernen.
Michael Thriemer: Der Begriff der Barrierefreiheit bedeutet ja vereinfacht gesagt,
dass man alle Anlagen, Einrichtungen, auch die Fahrzeuge des PNV zum Beispiel
jederzeit und selbststndig erreichen knnen soll. Sicherlich von Interesse ist, in
welchen Bereichen du dich derzeit noch am meisten in deiner Bewegungsfreiheit
eingeschrnkt siehst. Wo gibt es denn noch am meisten Barrieren?
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Lars Geithner: Ich mchte erstmal sagen, dass fr uns Betroffene,
blind, sehbehindert oder anders behindert, fr uns ist wirklich in den Stdten die
beste Orientierung. Also dort knnen wir uns am bestenzurechtfinden, weil dort ist der PNV da, also auf dem wir absolut angewiesen
sind. Nutzen Bus und Bahn. Und sobald ich jetzt aufs Land zum Beispielrauskomme, auf Drfer oder so, da bin ich manchmal wirklich aufgeschmissen,
weil vielleicht einmal am Tag oder zweimal am Tag blo ein Bus fhrt oder am
Wochenende gar nicht. Und das ist fr mich eine Rieseneinschrnkung. Und
deswegen wohnen geht nicht, das wird einfach nicht funktionieren. Und deswegen
bin ich in der Stadt, dort habe ich meine Bus und Bahn, die fahren in gewissen
Taktzeiten. Und damit kann ich mich gut orientieren. Dort habe ich richtige
Fuwege und Straenberquerungen mit Ampeln, also gesicherte Querungen. Und
das ist fr mich sehr wichtig, das erleichtert mir auch den Alltag im Leben.
Michael Thriemer: Nun bist du aber ja im Rahmen deiner Kreisorganisation auch
fr den Bereich Stollberg, also fr den lndlichen Raum zustndig. Vor dem
Hintergrund deiner letzten Antwort. Was knnten wir denn tun oder was kann
getan werden, damit auch im lndlichen Raum sich etwas verndert, zum positiven
hinsichtlich der Barrierefreiheit? Wo knnen wir ansetzen oder wo siehst du Punkte
zur Verbesserung, damit im lndlichen Raum sich etwas tut, hinsichtlich der
Barrierefreiheit?
Lars Geithner: Dafr sind unsere AGs wichtig, also wie die AG PNV fr alle, dass
wir in solche Stdte oder lndliche Rume mal hingehen und uns mit derStadtverwaltung in Verbindung setzen, was knnen wir hier tun?
Ich bin auch immer interessiert, wenn Anfragen kommen aus den Regionen oder
aus den Stdten, wir knnen uns mal irgendwas angucken, eine Kreuzung oder wir
wollen was sanieren, knnen sie mal drber-gucken oder knnen wir mal
herkommen und uns mal die Gegebenheiten vor Ort angucken. Dann knnen wirdrber sprechen und beraten, was brauchen wir an Barrierefreiheit, genau an
dieser Stelle. Und das wnsche ich mir eben an vielen Orten, wo wirklich Bedarf
ist. Weil wenn eine Baustelle erstmal angefangen ist und dann hinterher etwas zu
ndern, das ist immer ganz schwierig. Und deswegen bin ich lieber gern vor Ort,
am Anfang schon bei der Planung mit dabei, und dann knnen wir das richtiggestalten nach DIN-Norm.
Michael Thriemer: Also ist es sehr wichtig in dem Zusammenhang alle Beteiligten,
seien es die Kommunen, die Brgermeister, die Tiefbaumter, auch im Rahmen
dieses Podcasts anzusprechen und ihnen zu sagen, es gibt Angebote, es gibt
beim Blinden- und Sehbehinderten-Verband das Angebot, es gibt auch beim
Sozialverband VdK Sachsen e.V. das Angebot, beispielsweise im Rahmen des
Beratungszentrums fr barrierefreies Planen und Bauen, wo es mglich ist,
kostenfrei einen Architekten zu erhalten, der eine Beratung durchfhrt. Das wollen
wir auch mit diesem Podcast erreichen, sie und euch aufrufen, auffordern,
kommt auf uns zu, sprecht uns an, wir untersttzen Euch. Wenn ihr etwas fr die
Barrierefreiheit tun wollt, dann kommt gerne auf uns zu. Es gibt diese Angebote,
man sollte sie nur auch nutzen.
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Lars, es gibt ja verschiedene Normen die eingehalten werden mssen um euch
Betroffenen die Orientierung zu erleichtern. Worin besteht da die Herausforderung?
Denn die Normen verndern sich ja auch stndig. Was ist das Wichtige hinsichtlich
der Bodenindikatoren als Beispiel?
Lars Geithner: Es hat jeder im Alltag schon mal die weien Gehweg-Plattengesehen. Wir nennen sie Bodenindikatoren und die geben uns wichtige
Informationen.
Man hat sie ganz oft schon an Ampeln gesehen oder an Haltestellen, das sindganz wichtige Punkte.
Und dort helfen sie uns zur Orientierung, sozusagen unszurechtzufinden an der Haltestelle oder wo komme ich meinetwegen zur ersten Tr
im Bus.
Michael Thriemer: Wir stellen ja immer wieder fest, auch du sicherlich im Rahmendeiner Begehungen, dass diese nicht nach dem neuesten Stand verbaut werden.
Es hakt oftmals noch bei der Umsetzung durch Planungsbros und
Ingenieurbros. Was ist da das grte Problem fr euch?
Lars Geithner: Also wir bekommen ganz oft von Planungsbros Unterlagen, wo
die Blinden-Leitsysteme falsch geplant werden. Zum Teil sind die
Bodenindikatoren verdreht oder gar nicht richtig eingeplant, also gar nicht richtig
gebaut und wir kontrollieren das nach den DIN Normen, nach den gltigen DIN
Normen und geben unsere Stellungnahmen dazu ab.
Michael Thriemer: Dazu muss man natrlich logischerweise wissen, dass diesekorrekte Umsetzung fr euch als Betroffene eine groe Herausforderung einerseits
darstellt, der Planung und andererseits natrlich, wenn es dann falsch gebaut ist,
dass es erhebliche Schwierigkeiten fr euch gibt, den Weg korrekt zu finden, weil
ihr ja im Rahmen eurer Schulungen, die ihr erhaltet, das anders gelernt habt. Wenn
also eine solche Planung veraltet oder fehlerhaft ist, dann gibt es fr die Blindenein richtiges groes Problem und das ist sehr wichtig fr uns auch hier im Rahmen
dieses Podcasts mitzuteilen, dass wir wnschen und auch fordern, dass die DIN
Normen eingehalten werden, dass sie auf dem aktuellsten Stand sind und dass
auch die Anforderungen an die Barrierefreiheit, bei der Planung und
Bauausfhrung entsprechend bercksichtigt werden.
Lars, wir haben ber Mglichkeiten fr die Schulungen gesprochen. Auch das ist
sicherlich ein interessantes Thema. Du hattest geschildert, dass du beim SFZ in
Chemnitz auch dort ehrenamtlich mitwirkst. Wenn ein Mensch im Laufe seines
Lebens erblindet, durch Erkrankungen oder hnliches, durch Unflle,
kannst du uns schildern, wie eine solche Schulung abluft?
Lars Geithner: Wir vom Blinden- und Sehbehindertenverband bekommen
tagtglich Anrufe, wo wir gefragt werden: Was kann ich tun? ich drohe zu
erblinden. Und dann geben wir Ratschlge, dass sie entweder bei uns vorbeikommen und sie bekommen bei uns eine Beratung, wie es jetzt irgendwie
weitergehen kann oder was fr Hilfsmittel zur Verfgung stehen, wo kann ich was
beantragen, also Hilfsmittel bei wem, bei welchen Kostentrger.
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Oder wir beraten auch mit diesen Bodenindikatoren, die zur richtigen Orientierung
im ffentlichen Raum dienen. Da haben wir ein Baukasten, da knnen wir alles
Mgliche nachbauen im Mastab 1 zu 10 und da knnen wir richtig Ampelnnachbauen, Haltestellen und so weiter, also alles Mgliche. Und das geben wir
auch gerne an Einrichtungen weiter oder wenn jetzt jemand kommt, auch ein
Bauplaner zu uns kommt und er will eine DIN Schulung zum Beispiel haben, dannbekommt er sie bei uns. Also es gibt verschiedene Varianten, eben auch dieses
Sinnreich, was ich vorhin erklrt habe, dass ist aucheine Mglichkeit, ffentlichkeitsarbeit zu leisten, wo man sozusagen den Alltageines Blinden nachempfinden kann oder Hilfsmittel ausprobieren kann oder wir
erklren ihm, wie die Blindenschrift funktioniert und so weiter. Alltagsfragen knnen
da geklrt werden und das kann man auch live alles ausprobieren.
Michael Thriemer: Also Lars, wir hren, dass es umfangreiche Mglichkeiten gibt
fr die gegenseitige Sensibilisierung. Ist denn dadurch auch ein besseres
Miteinander im tglichen Umgang mglich? Kann man Menschen denen man es,
sagen wir mal, in einer Erklrung eher weniger oder schlecht beschreiben kann,
durch dieses eigene Erleben, kann man ihnen dadurch nher bringen, was
eigentlich eure Art der Beeintrchtigung genau fr Konsequenzen und Folgen hat?
Lars Geithner: Also mir macht es immer Spa die Sensibilisierung durchzufhren,
weil wir gehen ja auch an verschiedene Orte und wenn mir Fragen gestellt werden
zum Thema Blindheit oder Sehbehinderung und die Leute verstehen, was wirmeinen oder wie wir zurechtkommen. Es werden sozusagen Hrden abgebaut
oder Hindernisse werden abgebaut. Also sie wissen dann beim nchsten Mal wie
sie mit mir umgehen sollen oder oder derjenige kann ja so und so in seinem Alltagzurechtkommen, er hat seine Hilfsmittel. Wir sind keine Exoten, wir wollen normal
behandelt werden. Und so ist es auch.
Michael Thriemer: Lars, wenn du mit deiner ebenfalls blinden Frau in den Urlaub
fhrst, auch ins Ausland, welche Herausforderungen siehst du bei der Nutzung von
Bus und Bahn und welche sowohl negativen oder auch positiven Erlebnisse hastdu dabei?
Lars Geithner: Wenn wir verreisen, mssen wir eine Woche vorher den Umstieg
oder die Umsteigehilfe bei der Mobilittszentrale beantragen. Wir sagen also inwelchen Zgen wir fahren, wo wir hin wollen und dann geben wir unsere
Zugverbindung den Mitarbeitern und die tun an den Bahnhfen, an den
Umsteigebahnhfen, die Leute fr uns sozusagen heraussuchen.
Also wenn mir das besttigt wird, ich bekomme ja von denen eine SMS, wo das
alles nochmal drin steht oder eine Mail. Es gibt ja auch kleine Bahnhfe, wo es garkeine Umsteigehilfen gibt. Dann ist es natrlich fr uns ein Riesenproblem. Da
knnen wir nur hoffen, dass der Zugbegleiter uns dann zum nchsten Zug bringt.
Oder wir mssen Passanten fragen. In Deutschland, sag ich mal, klappt das sehrgut mit den Umsteigehilfen. Also wir haben bis jetzt immer sehr positive Resonanz.
Also in Chemnitz, wenn wir da losfahren. Das klappt einwandfrei. Fahren ber
Berlin und da werden wir wirklich vom Zug abgeholt.
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Die wissen, in welchem Waggon wir sitzen und bringen uns dann zum nchsten
Zug, in dem wir weiterfahren wollen. Natrlich fragen wir dann immer mal die
Leute, die Mitreisenden, ob sie uns helfen knnen mit der Nummer. In manchen
ICEs sind die an den Kopfsttzen beschriftet mit Punktschrift und auch mit
Pyramidenschrift. Da knnen wir uns selbst orientieren. Aber das ist eben nicht in
jedem Zug so. Wenn ich jetzt mal von Reisen ins Ausland spreche, kann ich nur
von positiven Erlebnissen reden. Wir sind mal geflogen, von Leipzig aus nach
gypten und das ist dasselbe Prozedere. Also ich muss beantragen beim
Reiseveranstalter, die Umsteigehilfen und die kmmern sich dann am Flughafen,
dass ich sozusagen abgeholt werde, wo ich mein Koffer abgebe bis zum ich werde
ins Flugzeug gebracht. Und dann, wenn ich in dem Zielflughafen ankomme, die
holen mich wieder separat ab im Flieger auf meinem Sitzplatz, bringen mich in dasTerminal und dort ist dann auch mein Gepck, das finden die dann auch und
bringen mich dann zum dem Reisebus, der mich ins Hotel bringt. Auch selbst derBusfahrer wird dann angesprochen und der bringt mich dann ins Hotel rein. Aber
ich bin jetzt noch nicht so oft geflogen. Also das sind jetzt Flugziele, ber die ich
positiv reden kann.
Michael Thriemer: Wir hren also, es gibt durchaus noch erhebliche Barrieren
unter dem Aspekt der Barrierefreiheit, unter der Definition, selbststndig zu jeder
Zeit. Es gibt Anmeldefristen, es gibt Versptungen, wo dann zwar gewartet wird,
aber wo trotzdem immer irgendwo das Gefhl mitschwingt: Schaffen wir das?
knnen wir unser Reiseziel erreichen? Deswegen ist es natrlich auch wichtig, das
Fahrpersonal zu schulen. In diesem Zusammenhang haben wir in derVergangenheit schon einiges bewegen knnen. Wir haben beispielsweise die
Straenbahnfahrerinnen und Straenbahnfahrer der Chemnitzer Verkehrs-AG
geschult. Hltst du das fr sinnvoll und wichtig und kannst du uns beschreiben,
wie diese Schulungen abgelaufen sind?
Lars Geithner: Also das war eine sehr tolle Schulung, die ging sechs Wochen
lang, jeden Tag, anderthalb Stunden mit den Fahrern. Es ging sogar drei Stunden,
es war recht lang. Also anderthalb Stunden Theorie, anderthalb Stunden Praxis
und das war sehr toll, weil wir wirklich in der Theorie, da ging es um Ausweise,
Behinderten-Ausweise, Merkzeichen oder ein Betroffener, wie sollte er sich
kennzeichnen, dass er erkannt wird von den Busfahrern und so weiter, wie viele
Behinderte oder wie viele Behinderungsarten gibt es in Sachsen. Also da warblanker Theorieteil und das war sehr wichtig, auch fr die Fahrer mal zu hren,
wie viele Behinderte oder wie viele Betroffene in Sachsen leben. Und der zweite
Teil war dann der Praxisteil, wo dann wirklich mal, sie konnten sich
Simulationsbrillen aufsetzen und mal verschiedene Augenkrankheiten an ihrem
eigenen Bus ausprobieren. Also sie sollten in ihrem Bus einsteigen, die Fahrer und
mal auf einen Platz sich setzen mit Simulationsbrillen, also mit verschiedenen
Augenkrankheiten oder sogar ganz mutige, konnten auch mal unter derDunkelbrille, also wo es richtig dunkel ist, mit dem Blinden-Langstock mal in ihren
eigenen Bus einsteigen und einen Platz suchen.
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Und das hat wirklich vielen Fahrern oder die ja mitgemacht haben, Teilnehmern, es
hat ihnen richtig Spa gemacht und die haben auch ganz viele Fragen gestellt unddie haben das dann hinterher auch mit ganz anderen Augen gesehen, wie das ist
blind oder sehbehindert in so ein Fahrzeug einzusteigen.
Wir haben auch Rollsthle mitgehabt, wo sozusagen die Fahrer mal mit einem
Rollstuhl mit Rampe, ausklappen und dann in den eigenen Bus einrollen oder
einsteigen, wie man es auch immer sagt, und wie stelle ich mich richtig in den Busauf, also wie muss ich meine Position mit dem Rollstuhl einnehmen, rckwrts zur
Fahrt oder vorwrts, wie stelle ich mich berhaupt auf, wie kann ich oben dasDisplay lesen. Da sind auch viele Sachen aufgetaucht, wo die Fahrer sich gar keine
Gedanken gemacht haben darber. Wenn der Rollstuhlfahrer sich rckwrts
aufstellt, also sozusagen mit dem Rcken zum Sitz, dann kann er gar nicht mehrdas Display lesen, also sozusagen die Fahranzeige, also wo der Bus hinfhrt.
Solche Sachen sind da aufgetaucht, wo man darber nachdenken muss alsVerkehrsbetriebe, wie kann ich das anders lsen mit den Displays in den Busen
oder Bahnen. Und da wurden eben viele Fragen geklrt und das ist eben so ein
schnes Miteinander. Also die Fahrer haben Fragen, wir haben Fragen an die
Fahrer. Und das sollte es sich immer wieder wiederholen, von Jahr zu Jahr.
Michael Thriemer: Lars, wenn du in deinem direkten Umfeld unterwegs bist, was
ist das Wichtigste, wenn du eine Reise mit dem ffentlichen Personen Nahverkehr
unternimmst?
Lars Geithner: Wenn ich zu meiner Haltestelle komme, wo ich immer abfahre,
dann haben wir bei uns an den Haltestellen die digitalen Fahrgastinfos oder
dynamische Fahrgastinfos und die knnen alle sprechen. Und da hole ich mir
erstmal die Informationen, wann mein nchster Bus fhrt. Das wird mir alles
angesagt und da wei ich ungefhr, in so vielen Minuten kommt mein Bus.
Danach gehe ich dann mit Hilfe der Bodenindikatoren auf das sogenannte
Einstiegs-Feld. Das ist meistens in Fahrtrichtung immer ganz vorne. Es sollte
immer ganz vorne sein. Bei Doppelhaltestellen ist ein bisschen was anderes, aber
an normalen Einzelhaltestellen sollte es ganz vorne sein. Und da stelle ich mich
drauf und ich habe meinen Blinden-Langstock in der Hand, also bin alsSehbehinderter oder Blinder gut erkennbar. Die Busfahrer sollten dann mit ihrem
Fahrzeug zuhalten, dass ich die direkte Kommunikation zu dem Busfahrer habe.
Also ich kann den Busfahrer fragen, welche Linie er ist. Weil es knnen ja auch mal
mehrere Busfahrer an der Haltestelle abfahren oder durch irgendwelche Sachen,
Umleitungen, fahren heute mal mehr Busse ab, als sonst. Und da frage ich den
Busfahrer, welche Linie er ist und dann antwortet er mir. Oder in Chemnitz knnen
auch die Busse alle schon selbst sprechen, sobald die erste Tr aufgeht, wird
automatisch von dem Bus angesagt, Buslinie so und so. Und wenn das allesfunktioniert, was fr uns wirklich sehr wichtig ist, dass das funktioniert, dannsteigen wir in den Bus ein. Wir hoffen, dass der Busfahrer so lange stehen bleibt,
bis wir einen Platz haben, bis ich eine sichere Stange zum festhalten habe. Und
dann kann er ja losfahren. Natrlich ist es am gnstigsten, ich sitze auf denausgewiesenen Pltzen.
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Natrlich muss ich fragen, manchmal sitzen auch andere Leute drauf, ob ich mich
hinsetzen kann. Aber ich bin ja sehbehindert, nicht gehbehindert, also ich kannauch zur Not stehen bleiben, muss mich aber festhalten. Also eine Haltestange istganz wichtig fr uns. Und dann ist fr uns noch wichtig, dass dieHaltestellenansage in den Busen funktioniert. Also das angesagt wird, die nchste
Haltestelle so und so. Und die muss laut genug sein. Also ich erlebe das ganz oftin berlandbusen, dass die Haltestellenansagen zu leise sind oder gar nicht ansind. Und das ist fr uns ein Riesen Problem, ich kann nicht aus dem Fenster
gucken und erkennen jetzt die Haltestelle, da muss ich aussteigen. Fr uns sindam wichtigsten die Haltestellenansagen. Und dann muss ich eben auch denDrcker finden, dass ich ihm sagen kann, ich will aussteigen. Und dann muss ich
mich durch die Leute dann zur Tr bewegen und da den Ausgang finden. Und das
muss alles in der Zeit, wie der Bus steht, funktionieren.
Und das ist fr uns manchmal sehr schwierig, wenn dann noch Kinderwagen oderRollatoren und so weiter, viele Menschen, das wird fr uns dann echt eine groe
Herausforderung.
Michael Thriemer: Also fassen wir mal zusammen, ganz wichtig fr Betroffene, fr
blinde und sehbehinderte Menschen: Zum einen das sogenannte Einstiegsfeld,
als Detailinformation, Rippenplatte quer, bestenfalls mit der Gre 120 x 90 cm,
gegebenenfalls der dazugehrige Auffindestreifen, um dieses Einstiegsfeld auch
aufzufinden. Sehr wichtig, dass der Busfahrer mit der ersten Tr seines
Fahrzeuges auch an diesem Einstiegsfeld anhlt, gegebenenfalls bei zweiFahrzeugen hintereinander auch nochmals das zweite Fahrzeug anhlt, denn ihr
knnt ja nicht erkennen, welches Fahrzeug in welche Richtung, mit welcher Liniees genau ist. Damit auch fr euch beim ffnen der Fahrertr eine
Kontaktaufnahme mit dem Fahrpersonal mglich ist, um zu fragen, welche Linieseid ihr, wo fahrt ihr hin. Gegebenenfalls auch zu sagen, wo ihr aussteigen
mchtet. Dann den Platz einzunehmen, den Haltewunsch-Taster entsprechend
auffinden zu knnen, um rechtzeitig bekannt zu geben, wo ihr aussteigen mchtet,
durch Drcken der Taste. Und ganz wichtig, die Ansagen der einzelnen
Haltestellen, gegebenenfalls durch Auenlautsprecher am Fahrzeug.
Lars, mir sind verschiedene Arten der Beschriftungen und Informationsweitergaben
bekannt. Welchen Unterschied kannst du den Zuhrerinnen und Zuhrern
hinsichtlich der Punkt bzw. Brailleschrift und der Profilschrift erlutern?
Lars Geithner: Im ffentlichen Raum erleichtert uns ganz oft Beschriftungen vonGelndern oder von Tren. Und meistens wird mit Pyramidenschrift und
Brailleschrift beschriftet. Und die Blindenschrift ist international gleich, egal ob
Englisch, Franzsisch oder Deutsch. Die Pyramidenschrift ist sozusagen dieSchwarzschrift, nur fhlbar gemacht. Also die Buchstaben, dieGrodruckbuchstaben, kann man fhlen. Und das wird sehr oft, z.B. an Gelndern
angebracht. Da knnen wir z.B. wenn wir aus dem Zug aussteigen und laufen zurTreppe. Und bevor wir die Treppe runtergehen, knnen wir an dem Gelnder lesen,
wo die Treppe hingeht oder wo kann ich jetzt, wenn ich die Treppe runtergehe, wo
komme ich da zu welchem Ziel, was wird mir da angeboten. Und ich kann auch
ablesen, auf welcher Seite der Bahnsteig 1 oder Bahnsteig 2 sich befindet.
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Und genauso ist das z.B. in ffentlichen Gebuden, kann ich z.B. was in dem
Zimmer sich befindet, meinetwegen Zimmer 1 befindet sich das und das. Also die
Informationen kann ich da ablesen, ohne in die Tr reinzugehen.
Michael Thriemer: Lars, wenn du dir fr die Zukunft etwas wnschen knntest,
vor allen Dingen hinsichtlich natrlich der Barrierefreiheit. Was wre das fr dich,
wo siehst du die grten Ansatzpunkte bei der Verbesserung der
Zusammenarbeit?
Lars Geithner: Ich wrde mir wnschen fr die Zukunft, dass nicht jede Stadt in
Deutschland was selber macht oder was denkt zu erfinden. Wenn sie sich alle an
die DIN Normen halten, dann ist uns schon sehr weit geholfen oder dann wird es
fr uns schon leichter. Das Problem ist, dass wirklich viele Stdte oder viele
Verkehrsbetriebe in den Stdten, jeder versucht etwas neu zu entwickeln, also
angefangen von Apps ber selbstsprechende Busse und so weiter und so weiter.
Also wenn alle mal miteinander reden wrden, also alle Verkehrsbetriebe in
Deutschland und nicht jeder sein eigenes Ding macht, damit wre uns schon
geholfen. Weil es ntzt mir nichts, wenn ich in jeder Stadt eine andere App
brauche, um den Bus zu erkennen. Und das ist einfach viel zu viel. Und fr uns ist
es wirklich ein Riesenproblem, Orientieren im ffentlichen Raum und Kopfhrer ist
ein Riesenproblem. Also ich kann nicht jedes Mal einen Kopfhrer im Ohr haben
und ich muss mich auf den Straenverkehr orientieren und so weiter. Also
deswegen wnsche ich mir, dass das einheitlicher wird in Deutschland.
Michael Thriemer: Lars, wie kann man Teil eures Verbandes werden oder euch
untersttzen?
Lars Geithner: Also wir sind telefonisch erreichbar. Das Gute an der Sache ist,
Dass Festnetz-Telefon wird auch auf mein Handy umgeleitet wird, also wir sind
rund um die Uhr erreichbar. Und wir freuen uns darber, wenn jemand sich
anbietet, meinetwegen auf Ausflgen. Oder wir haben ja verschiedene Aktionen
oder AGs und wo wir immer sehende Helfer bentigen knnen.
Michael Thriemer: Also fassen wir zusammen. Das Wichtigste ist dasgegenseitige Verstehen, die gegenseitige Sensibilisierung, die Einhaltung der
geltenden Normen, um Betroffenen Informationen, die sie bentigen,
weiterzugeben und natrlich eine personelle Ausrstung, die ermglicht,
dass den blinden und sehbehinderten im tglichen Erleben geholfen wird und das
ist das Ziel dieses Podcasts, den Zuhrerinnen und Zuhrern einmal zu erlutern:
Was sind die Schwierigkeiten? Was sind die Herausforderungen, die blinde und
sehbehinderte Menschen im tglichen erleben?
Lars, ich darf mich und mchte mich ganz sehr herzlich fr dein Kommen unddeine Mitarbeit bedanken. Darf mich von dir verabschieden, wnsche alles Gute.
Lars Geithner: Ich bedanke mich auch und es hat mir groen Spa gemacht und
gerne bin ich fr solche Themen empfnglich, also ich rede gern ber das Thema
Barrierefreiheit fr Blinde und Sehbehinderte.
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Michael Thriemer: Vielen Dank! Und von meiner Seite aus bis zur nchsten Folge
unseres Podcasts des Projekts PNV fr alle beim Sozialverband VdK Sachsen e.V.
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